Aufpfropfen eines Baumes

Das Prinzip der Veredelung: Methoden, Techniken und Tipps 

Das Prinzip dahinter ist simpel: Werden zwei lebende Pflanzenteile derselben Art zusammengeführt, können sie miteinander zu einer Pflanze verwachsen, die das Erbgut beider Teile in sich trägt. Wie genau das funktioniert und welche Vorteile dieses Verfahren bietet, verraten wir Ihnen hier.

Wer schon einmal versucht hat, Gehölze aus Samen oder Stecklingen heranzuziehen, weiss wahrscheinlich, dass diese Methode mehrere Probleme mit sich bringen kann. Die Veredelung stellt eine mögliche Lösung dar, die sich im Gartenbau insbesondere bei der sortenechten Vermehrung von Bäumen und Sträuchern etabliert hat.

Pflanzen veredeln: Das sind die Vorteile 

Allgemein basiert das Veredeln auf demselben Prinzip wie die vegetative Vermehrung: Sind Pflanzentriebe frisch genug, können sie mit ausreichend Pflege eigene Wurzeln bilden oder mit einer kompletten Pflanze verwachsen. Dies ermöglicht es auch, einen sauber mit einem Gartenmesser abgetrennten Trieb einer bestimmten Sorte, ein sogenanntes Edelreis, auf eine gleichartige Wildpflanze aufzupfropfen, um diese zu veredeln.

Anders als bei der Vermehrung über Samen entsteht dabei immer ein sortenechter Ableger der Edelsorte, da in den austriebsfähigen Pflanzenteil kein neues Erbgut eingebracht wird. Ebenso lässt sich ein nicht unerheblicher Teil der Zeit einsparen, die vergehen würde, bis ein aus einem Samen oder Steckling herangezogener Obst- oder Nussbaum Früchte trägt. Typischerweise geht dies bei veredelten Gehölzen mindestens ein Jahr schneller, da sie bereits über voll ausgebildete Wurzeln verfügen.

Gleichzeitig bietet die Veredelung eine Möglichkeit, das Wachstum von Pflanzen zu beeinflussen. Wird beispielsweise ein Trieb eines Obstbaums auf eine kleinwüchsige Unterlage aufgepfropft, entsteht ein Ableger, der weniger gross wird und eine kleinere Menge Früchte abwirft, dafür aber wesentlich früher – oft schon nach zwei Jahren – beerntet werden kann. Ebenso kann bei bestimmten Ziergehölzen eine Hochstamm-Veredelung dafür sorgen, dass die Krone dichter wächst als bei der Wildform.

Frühlingsveredelung von Obstbaum

Frühlingsveredelung von Obstbaum 

Pfrofen

Pfrofen 

Aufgepfropfter Apfelbaum

Aufgepfropfter Apfelbaum 

Welche Pflanzen lassen sich veredeln? 

Grundsätzlich ist es bei so gut wie allen Gehölzarten möglich, sie zu veredeln. Damit das gelingt, sollten Sie jedoch eine möglichst eng mit der gewünschten Edelsorte verwandte Wildart als Unterlage wählen oder eine speziell als Unterlage gezüchtete Sorte verwenden. So liesse sich ein Walnussbaum nur auf einen anderen Nussbaum veredeln. Je nach Pflanzenart gibt es jedoch erhebliche Unterschiede in der Toleranz – zum Beispiel vertragen sich Birnen äusserst schlecht mit artfremden Unterlagen.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Veredelung ist ausserdem, dass die Unterlage selbst ausreichend stark ist. Als Faustregel gilt bei Gehölzen, dass der Wurzelhals mindestens Bleistiftdicke erreicht haben sollte, bevor ein Edelreis aufgepfropft wird. Dies ist in der Regel nach zwei bis vier Jahren der Fall.

Okulation und Kopulation: die wichtigsten Methoden im Überblick 

Das genaue Vorgehen hängt zu grossen Teilen davon ab, welche Methode Sie anwenden. Für den Hobbygärtner sind Verfahren wie das Anplatten oder Einspitzen sowie die Geissfuss­veredelung jedoch in der Regel zu kompliziert. Im eigenen Garten setzen die meisten daher auf eine der folgenden Methoden:

Okulation 

Bei der Okulation wird eine ruhende Knospe (ein sogenanntes «Auge») der gewünschten Edelsorte direkt in einen Schnitt an der Veredelungsunterlage eingesetzt, sodass das Auge anwächst und austreiben kann. Diese Methode wird insbesondere bei Obstgehölzen, Rosen und Ziergehölzen angewandt und hat den Vorteil, dass sie verhältnismässig einfach durchzuführen ist. Sie funktioniert folgendermassen:

  1. Schneiden Sie von Ihrer Edelsorte einen Zweig mit einem gut ausgeprägten Auge ab und heben Sie es so ab, dass am unteren Ende ein langer, flacher Rindenstreifen entsteht. Achten Sie dabei auch darauf, möglichst nahe am Auge zu schneiden – sonst wird das Verbinden schwierig.

  2. Machen Sie an der Veredelungsstelle der Unterlage einen T-förmigen Schnitt und lösen Sie die Rindenlappen, sodass eine dreieckige «Tasche» unter der Rinde entsteht. Am einfachsten funktioniert dies mit einem speziellen Okuliermesser. In der Regel sollte direkt oberhalb des Wurzelhalses veredelt werden. Bei Obstbäumen besteht jedoch das Risiko, dass der Edeltrieb eigene Wurzeln bildet – setzen Sie die Veredelungsstelle daher etwas höher an.

  3. Schieben Sie das Auge hinter die Rindenlappen, sodass die Rinde des Zweigs auf dem nackten Holz der Unterlage liegt. Schneiden Sie danach den Zweig möglichst knapp oberhalb der Rindenlappen ab.

  4. Verbinden Sie die Veredelungsstelle mit einem geeigneten Material, um sie am Verrutschen und Austrocknen zu hindern. Zu diesem Zweck eignet sich besonders gut ein spezielles Okulationspflaster aus Latex. Raffia-Bast oder gewachste Wolle bietet sich ebenfalls an, muss jedoch sehr dicht gewickelt werden. In jedem Falle ist aber darauf zu achten, dass das Auge selbst frei bleibt.

In der Regel wird bei der Okulation auf das schlafende Auge veredelt – es wird also ein frisch geschnittenes Edelreis mit ruhenden Knospen verwendet. Dies erfolgt in der Zeit zwischen Juli und August, sodass das Auge noch im selben Jahr anwächst, aber erst im Folgejahr austreibt. Alternativ dazu ist eine Veredelung auf das treibende Auge möglich, um noch im selben Jahr die ersten Triebe zu erhalten. Diese muss jedoch im ohnehin arbeitsintensiven Frühjahr mit einem Edelreis durchgeführt werden, das im Winter geschnitten und kühl aufbewahrt wurde – sie ist daher im modernen Gartenbau kaum noch von Bedeutung.

Schematisches Vorgehen der Okulation

Schematisches Darstellung beim Vorgehen der Okulation 

Kopulation 

Ähnlich wie die Okulation ist auch die Kopulation oder «Winterhandveredelung» vor allem für Obst- und Ziergehölze geeignet. Dabei wird das Edelreis auf eine wurzelnackte Unterlage aufgepfropft und erst danach eingepflanzt. Sie verfahren dabei so:

  1. Schneiden Sie mit einem scharfen Gartenmesser einen Trieb der Unterlage und ein passendes Triebstück der Edelsorte schräg ab. Idealerweise sollte das Edelreis vier Augen haben und an der Schnittstelle so dick sein, dass die beiden Pflanzenteile exakt deckungsgleich sind.

  2. Legen Sie die Schnittflächen des Triebstücks und der Unterlage senkrecht aufeinander und schneiden Sie gegebenenfalls überstehende Stücke ab. Wichtig ist jedoch, dass mindestens an einer Seite Kontakt zwischen den Rinden beider Stücke besteht.

  3. Verbinden Sie die gesamte Veredelungsstelle mit Raffia-Bast und tragen Sie auf ganzer Länge ein Wundverschlussmittel auf.

  4. Pflanzen Sie die Gehölze an einer gut geschützten Stelle im Garten aus und decken Sie sie mit einem Vliestunnel ab, um sie vor Frost und Austrocknung zu schützen.

Damit das Edelreis möglichst gut mit der Unterlage verwächst, sollte diese Methode der Veredelung im Januar durchgeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich die meisten Pflanzen in der Winterruhe, sodass es leichter fällt, sie miteinander zu verbinden.

Veredelungsprozess Okulation

Veredelungsprozess Okulation 

Wurzelnackte Obstbäume

Wurzelnackte Obstbäume 

Zusammengewachsene Stämme nach Kopulation

Zusammengewachsene Stämme nach Kopulation 

Pflege und Nachsorge 

Nach dem Austreiben ist es bei beiden Methoden entscheidend, dass die veredelten Triebe möglichst viel der Nährstoffe abbekommen, die die Pflanze über ihre Wurzeln aufnimmt. Im Folgejahr sollten Sie daher sämtliche Triebe der Unterlage abschneiden und den Edeltrieb mithilfe einer geeigneten Wuchshilfe hochbinden. Nach der Kopulation ist es zudem ratsam, eine Auswahl zu treffen: Sind mehrere Triebe erkennbar, schneiden Sie die schwächeren davon ab, sodass nur der stärkste verbleibt.

Gemüsepflanzen veredeln 

Auch Gemüsepflanzen lassen sich in den meisten Fällen veredeln. Dabei wird jedoch anders verfahren als bei Gehölzen, während die Priorität vor allem auf ertragreicheren und widerstands­fähigeren Sorten liegt. So werden zunächst beide Pflanzen normal ausgesät, sodass sie zum Zeitpunkt der Veredelung etwa dieselbe Grösse haben. In der Regel erfolgt diese etwa zwei Wochen nach dem Austrieb.

Ritzen Sie zuerst die Stiele der Pflanzen entgegengesetzt ein, sodass es möglich ist, die Schnittflächen aufeinander zu legen. Der Schnitt sollte etwa zwei Drittel der Gesamtlänge des Stiels ausmachen. Verbinden Sie die beiden Pflanzen anschliessend so miteinander, dass sie sich nicht wieder voneinander lösen. Nach etwa einer Woche sind die Pflanzen gut verwachsen; schneiden Sie dann die nicht benötigten Teile ab und lösen Sie die Fixierung. Anschliessend können Sie wie gewohnt verfahren.

Insbesondere Tomaten, Auberginen, Gurken und Kürbisse eignen sich sehr gut zur Veredelung. Solange Sie Pflanzen derselben Familie verwenden, können diese übrigens in den meisten Fällen problemlos als Unterlage dienen. Zum Beispiel lassen sich Tomaten auf Auberginen veredeln, da beides Nachtschattengewächse sind.

Hier geeignete Gartenmesser kaufen 


Gartenblog