DAS PRO NATURA TIER DES JAHRES 2022 - DER GARTENSCHLÄFER
Jährlich kürt Pro Natura Schweiz ein heimisches Tier zum Tier des Jahres, um auf konkrete Herausforderungen an den Naturschutz aufmerksam zu machen. Dieses Jahr wurde der Gartenschläfer ausgewählt. Warum genau der Gartenschläfer gewählt wurde und mehr über das Tier selbst erfahren Sie in diesem Beitrag.
Seit 1909 setzt sich Pro Natura als älteste Naturschutzorganisation der Schweiz für die Erhaltung natürlicher Ressourcen ein. Auf der internationalen Bühne ist die Organisation als Mitglied von Friends of the Earth International vertreten. Zu den erklärten Zielen von Pro Natura gehören die Stärkung der Biodiversität und die Erhaltung natürlicher Lebensräume für heimische Tierarten.
Zu diesem Zweck ernennt Pro Natura seit 1998 jedes Jahr ein heimisches Tier zum Tier des Jahres. Dadurch, dass die Lebenswelt dieses Tiers genauer beleuchtet wird, will die Organisation auf konkrete Herausforderungen an den Naturschutz aufmerksam machen.
Im vergangenen Jahr vergab Pro Natura diesen Titel an den Bachflohkrebs, um zu stärkerem Gewässerschutz aufzurufen. Als sogenanntes Zeigertier fungiert der empfindliche Flohkrebs als natürlicher Indikator für die Wasserqualität: Fehlt er, ist das Gewässer wahrscheinlich verunreinigt.
Wir stellen vor: der Gartenschläfer, Tier des Jahres 2022
Zum Tier des Jahres 2022 wurde der Gartenschläfer (Eliomys quercinus) auserkoren. Der kleinere Verwandte des Siebenschläfers ist eigentlich in wilden Wäldern mit reichlich Totholz, dichtem Unterholz und zahlreichen Verstecken auf Höhen bis 2200 m ü.M. zu Hause. Schon seit einigen Jahren wird er jedoch durch Entwaldung und Landwirtschaft aus seinem natürlichen Lebensraum verdrängt. Dadurch kommt er vermehrt mit Menschen in Kontakt, die ihn bisweilen als Ärgernis wahrnehmen.
Mit der Ernennung des Gartenschläfers zum Tier des Jahres 2022 will Pro Natura deshalb auf das zunehmende Verschwinden wilder Wälder aufmerksam machen und für eine naturbewusstere Forstwirtschaft werben.
Aussehen und Verhalten des Eliomys quercinus
Der Gartenschläfer ist auf den ersten Blick anhand seiner schwarzweissen Schwanzquaste und der markanten, einer schwarzen Augenmaske ähnelnden Markierungen zu erkennen. Ausgewachsene Tiere erreichen eine Körperlänge von 11 bis 15 Zentimeter ohne Schwanz und ein Gewicht zwischen 36 und 115 Gramm. Somit sind sie meist kleiner als Siebenschläfer, jedoch grösser als die Haselmaus und der Baumschläfer, ihre anderen in der Schweiz vorkommenden Verwandten aus der Familie der Bilche.
Die Tiere bauen kugelförmige Nester aus Moos, Laub und Gras in Baumhöhlen, Gebüschen oder Nistkästen, in denen sie den Tag verschlafen. Anders als ihre kletternden Verwandten ziehen sie die Fortbewegung auf dem Boden und im Unterholz vor. Dort gehen sie nachts auf die Jagd nach Insekten, Würmern, Schnecken und kleineren Wirbeltieren. Da die flinken Nager auch Schneckenarten fressen, die andere Tierarten nicht anrühren, können sie im Garten von grossem Nutzen sein. Jedoch sind sie keine reinen Fleischfresser: Auch Beeren, Samen und Knospen stehen auf dem Speiseplan.
Auf dem Speiseplan vom Gartenschläfer sind diverse Leckereien enthalten: Schnecken, Insekten, Würmer, Beeren, Knospen und mehr.
Ein Jahr im Leben des Gartenschläfers
Das Jahr beginnt für den Gartenschläfer im April, wenn er aus dem Winterschlaf erwacht. Beinahe unverzüglich beginnen die nach einem Jahr bereits geschlechtsreifen Tiere mit der Partnersuche, wobei die Weibchen durch lautes Pfeifen auf sich aufmerksam machen.
Nach einer dreiwöchigen Tragzeit bringen diese einen Wurf von vier bis sechs Jungen zur Welt. Die blind geborenen Jungen werden von der Mutter allein versorgt und öffnen nach 18 Tagen die Augen. Ihre Kindheit ist kurz: Bereits 40 Tage nach der Geburt können die Jungtiere sich selbstständig versorgen und verlassen das Nest.
Bis zum Herbst fressen die Tiere sich Fettreserven an und erreichen dadurch ein Gewicht von bis zu 210 Gramm, bevor sie sich im November in den Winterschlaf begeben. Ihre Nester für den Winter bauen sie in Baumhöhlen oder Felsspalten, aber auch in Vogelnistkästen und Gartenhäuschen oder auf Dachböden. Um den ersten Winter zu überstehen, bilden Jungtiere manchmal Gemeinschaften. Dennoch schafft es etwa die Hälfte von ihnen nicht bis zum Frühjahr.
Leider ist der Gartenschläfer vielerorts auf dem Rückzug. So führt die Weltnaturschutzunion IUCN ihn bereits in ihrer Vorwarnliste; in vielen seiner ursprünglichen Heimatgebiete in Ost- und Mitteleuropa ist er bereits ausgestorben. Einige Ursachen für das Verschwinden der anpassungsfähigen Art sind ein Rätsel. In einem gross angelegten Gartenschläferprojekt versuchen Wissenschaftler daher, Genaueres herauszufinden. Über drei Jahre hinweg wurden bereits Daten und Proben zusammengetragen, deren Analyse im Frühjahr 2022 die Grundlage für ein Schutzkonzept liefern soll.
Im Video ist ein kurzer, filmischer Einblick in das Leben des Gartenschläfers zu sehen. Das Video wurde vom Bund Umwelt und Natur Deutschland (BUND), der Partnerorganisation von Pro Natura, veröffentlicht.
Bilche im Haus – was tun?
Aufgrund ihrer Gefährdung stehen alle Arten der Bilche auf dem Schweizer Bundesgebiet unter Naturschutz. Nisten sie sich in Kellern oder auf Dachböden ein, fallen sie jedoch durch Kot, Urin und nächtliche Geräusche unangenehm auf. Der Schweizer Tierschutz STS empfiehlt daher in einem Merkblatt, die Tiere gar nicht erst eindringen zu lassen. Dazu sollten alle Schlupflöcher mit einem Durchmesser von über 2 cm verschlossen und Bäume in Hausnähe zurückgeschnitten werden.
Sind die Tiere schon im Haus, können sie durch geruchsintensive Substanzen wie Räucherstäbchen, ätherische Öle oder Weihrauch vertrieben werden. Eine Mischung aus Pfeffer und Mehl ist ebenfalls effektiv und liefert weitere Informationen: Finden sich länger keine Spuren darin, können Sie beruhigt davon ausgehen, dass die unliebsamen Mitbewohner ausgezogen sind.
Eine Umsiedelung mit Lebendfallen ist zwar möglich, jedoch vorsichtig anzugehen. Der STS empfiehlt dabei dringend die fachliche Unterstützung durch einen Wildhüter. Von Mai bis Juli ist der Fang von Bilchen zudem komplett verboten zu gross ist die Gefahr, ein Muttertier zu fangen, dessen Junge allein nicht überleben.
Ihr starker Heimfindungsinstinkt ermöglicht es den Tieren, über mehrere Kilometer hinweg zum Nest zurückzufinden. Gemeinsam mit Fressfeinden wie Raubvögeln, Füchsen, Mardern oder Wildkatzen, denen die Nager in einer fremden Umgebung nicht entkommen könnten, macht dies Aussetzaktionen zu einer schlechten Wahl. Stattdessen sollten sie in geeignete Ersatzbehausungen umgesiedelt werden. Neben umfunktionierten Vogelkästen bieten sich dafür spezielle Schläferkobeln an. Diese bieten den Tieren einen sicheren Rückzugsort und sind so konstruiert, dass Vögel schwerer hineinkommen.