Pfropfen & Okulieren: Warum Obstbäume veredelt werden
Apfel, Birne und viele andere Obstbäume werden üblicherweise veredelt. Diese alte Kulturtechnik wurde schon in der Antike angewandt. In Mitteleuropa ist das Pfropfen und Okulieren seit dem Mittelalter als Methode zur Gewinnung sortenreiner Obstbäume bekannt.
Warum veredelt wird
Sät man z.B. die Kerne von Früchten einer bestimmten Apfelsorte aus, entstehen daraus nicht Bäume mit genau den Eigenschaften der Ursprungssorte. Die Nachkommen können sich erheblich von der Ursprungssorte unterscheiden und ergeben eine deutliche genetische Vielfalt der Apfelsämlinge. Das gilt auch für die meisten anderen Obstarten.
Um wirklich einen Apfelbaum z.B. der Sorte 'Gravensteiner' zu erhalten, werden daher neue Bäume aus mindestens zwei verschiedenen Teilen herangezogen. Bei dieser als Veredelung bezeichneten Methode bildet eine spezielle Apfelsorte die so genannte Unterlage, aus der die Wurzel des Baumes heranwächst. Sie bildet die Wurzel und bestimmt in besonderem Mass die Wüchsigkeit des Baumes und andere Eigenschaften wie Frostfestigkeit oder Krankheits- und Trockenheitsresistenz. Auf diese Unterlage wird dann per Okulation, Kopulation oder auch Pfropfung – das sind verschiedene Methoden, um Unterlage und Edelreis zu verbinden – ein Trieb oder auch nur ein Auge der gewünschten Sorte veredelt. Beide Pflanzenteile bilden an den Schnittstellen Wundgewebe und wachsen so zu einer Pflanze zusammen.
Aus Edelreis oder Edelauge werden in der Baumschule Stamm und Krone gezogen. So wird gewährleistet, dass alle Bäume sortenecht sind.
Für die beliebten Buschbäume wählt man z.B. schwachwachsende Unterlagen, sollen Streuobstbäume mit hohem Stamm und üppiger Krone entstehen, sorgen starkwachsende Unterlagen für kräftigen Trieb. Manchmal werden für einen Hochstamm sogar zwei Veredelungen durchgeführt. Dabei wird auf die Unterlage eine Stammbildnersorte veredelt, die auch als Zwischenveredelung bezeichnet wird. Später setzt man in in Kronenhöhe dann das Edelreis mit der gewünschten Fruchtsorte ein. So entstehen besonders kräftige, starke und gesunde Stämme.
Okulation an Rose
Pfropfen
Vorbereitung Unterlage zum Pfropfen
Veredelungsmethoden
Je nach Pflanzenart und Zustand der Pflanze kommen verschiedene Veredelungsmethoden zum Einsatz. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Augen- und Reiserveredelung.
Bei der Okulation wird aus der Rinde des einjährigen Triebs der Edelsorte eine Knospe, auch als Auge bezeichnet, herausgeschnitten. Die Rinde der Unterlage wird t-förmig eingeschnitten und vorsichtig angehoben. Anschliessend wird das Auge an dieser Stelle unter die Rinde geschoben und mit Veredelungsband oder speziellen Okulationsverschlüssen befestigt.
Bei der Kopulation werden Unterlage und Edelreis von gleichem Durchmesser schräg angeschnitten, so das gleich grosse Schnittstellen entstehen, die aufeinander gelegt und verbunden werden. Das Pfropfen wird angewandt, wenn die Unterlage einen grösseren Durchmesser hat, als das Edelreis.
In der Broschüre 'Veredelungsleitfaden' des Pomologen-Vereins e.V. werden die gängigen Methoden in sehr anschaulichen Zeichnungen auf den Seiten 13 bis 19 dargestellt. Sollen im Garten neue Obstbäume gepflanzt werden, wird man diese in der Regel fertig veredelt in der Baumschule oder dem Gartencenter kaufen. Wer, z.B. im Rahmen der Streuobstpflege, ältere Bäume umveredeln oder selbst Jungbäume spezieller Sorten heranziehen möchte, findet im Fachblatt 'Veredelung von Obstgehölzen' eine ausführliche und gut bebilderte Anleitung. Die pdf-Datei kann auf der Seite streuobst-in-bayern.de heruntergeladen werden.
Insbesondere im Obstbau wird die Veredelung der Pflanzen häufig angewendet. Eine typische, beliebte Edelsorte ist der 'Gravensteiner' Apfel.
Wurzelechte Obstbäume
Von manchen Baumschulen werden auch wurzelechte Obstbäume angeboten. Als wurzelecht werden Obstgehölze bezeichnet, bei denen Wurzel, Stamm und Krone genetisch identisch sind. Das ist der Fall, wenn die Gehölze über Steckling, Steckholz, Wurzelschössling oder Ableger vermehrt werden. So findet man z.B. bei Zwetschen oder Sauerkirschen so genannte Wurzel- oder Stockausschläge. Diese unterirdischen Triebe kann man vom Mutterbaum trennen und erhält so neue Pflanzen.
Im professionellen Obstbau haben wurzelechte Obstbäume allerdings auf Grund der geringeren Erträge und mangelnder Fruchtqualität keine Bedeutung.
Dieser Text wurde von unserem Pflanzenschutzexperten Christoph Hoyer verfasst.